Das BMF hat mit dem am 28.01.2019 veröffentlichten Anwendungsschreiben vom 24.01.2019 das BFH-Urteil vom 27.09.2018 (V R 49/17) bestätigt. Danach können Bauträger nunmehr die Erstattung rechtsirrig entrichteter Umsatzsteuer entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I Seite 1001, Tz. 15a) geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass der jeweilige Bauträger einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das Finanzamt besteht. Tz. 15a des o. g. BMF-Schreibens vom 26. Juli 2017 wurde gestrichen.
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Hintergrund: Ist ein Bauträger rechtsirrig davon ausgegangen, als Leistungsempfänger Steuerschuldner für von ihm bezogene Bauleistungen zu sein, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung ohne Einschränkung geltend machen. Mit Urteil vom 27. September 2018 V R 49/17, veröffentlicht am 14.11.2018, hat der Bundesfinanzhof (BFH) dabei die Verwaltungsanweisung des BMF vom 26.07.2017 insoweit verworfen. Danach war bislang offen, ob sich das BMF dem BFH-Urteil anschließt. Das BMF-Schreiben schafft jedoch endlich Rechtssicherheit für Bauträger und erklärt das BFH-Urteil für allgemeinverbindlich.
Zentrale Streitfrage war dabei, ob der Bauträger treuwidrig handelt, wenn er von seinem Finanzamt die Rückgängigmachung der bei ihm rechtswidrig vorgenommenen Besteuerung verlangt, ohne Umsatzsteuer an die Bauunternehmer zu zahlen, von denen er Bauleistungen bezogen hat. Dies hat der BFH im o.g. Urteil verneint. Treuwidriges Handeln des Bauträgers kommt danach nicht in Betracht, weil die Finanzverwaltung aufgrund einer rechtlichen Fehlbeurteilung selbst die entscheidende Ursache für eine unzutreffende Besteuerung gesetzt hat.
BFH- Urteil vom 27.9.2018 (V R 49/17), veröffentlicht am 14.11.2018
Entscheidung: Ist ein Bauträger rechtsirrig davon ausgegangen, als Leistungsempfänger Steuerschuldner für von ihm bezogene Bauleistungen zu sein, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung ohne Einschränkung geltend machen. Mit Urteil vom 27. September 2018 V R 49/17, veröffentlicht am 14.11.2018, verwirft der Bundesfinanzhof (BFH) dabei die Verwaltungsanweisung des BMF vom 26.07.2017.
Bewertung: Das Urteil schafft endlich Rechtssicherheit für Bauträger. Ungeklärt war bislang, ob die Finanzverwaltung berechtigt ist, Erstattungsverlangen der Bauträger für Leistungsbezüge bis zum Februar 2014 nur nachzukommen, wenn der Bauträger Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer nachzahlt oder für die Finanzverwaltung eine Aufrechnungsmöglichkeit gegen den Bauträger besteht (BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a). Diese Einschränkungen sind nach dem Urteil des BFH rechtswidrig. Zentrale Streitfrage war dabei, ob der Bauträger treuwidrig handelt, wenn er von seinem Finanzamt die Rückgängigmachung der bei ihm rechtswidrig vorgenommenen Besteuerung verlangt, ohne Umsatzsteuer an die Bauunternehmer zu zahlen, von denen er Bauleistungen bezogen hat. Dies verneint der BFH nun. Treuwidriges Handeln des Bauträgers kommt danach nicht in Betracht, weil die Finanzverwaltung aufgrund einer rechtlichen Fehlbeurteilung selbst die entscheidende Ursache für eine unzutreffende Besteuerung gesetzt hat.
Urteil im Volltext unter https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=pm&Datum=2018&nr=38310&linked=urt
Leitsatz: Schuldet eine Bauträgerin die Umsatzsteuer nach nach § 13 b UStG nicht, so ist die Festsetzung zu ihren Gunsten zu ändern (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.01.2018 – 12 K 2323/17, nicht rechtskräftig).
Das FG hat die Revision zum BFH zugelassen. Die Rechtsmittelfrist läuft noch.
Kernaussage: Es gibt „keine Rechtsgrundlage, nach der es für eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung und/oder für die Erstattung der zu Unrecht festgesetzten Umsatzsteuer darauf ankommt, dass die Klägerin einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer an ihren jeweiligen Vertragspartner gezahlt hat.“
Sachverhalt: Die Klägerin ist Organträgerin der X-GmbH. Diese ist überwiegend als Bauträgerin tätig. Sie errichtet Wohn- und Geschäftshäuser auf eigenem Boden zum Zwecke der (steuerfreien) Veräußerung oder Vermietung. Hierzu nimmt sie Leistungen diverser Bauhandwerker in Anspruch.
Die Klägerin führte zunächst unter Berücksichtigung der Verwaltungsauffassung Umsatzsteuer nach § 13 b UStG an das beklagte Finanzamt ab. 2015 beantragte sie die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung, da sie nach der Rechtsprechung des BFH als Leistungsempfängerin nicht Steuerschuldnerin sei. Das beklagte Finanzamt änderte die Umsatzsteuerfestsetzung teilweise zugunsten der Klägerin und zwar in der Höhe, in der die leistenden Unternehmer ihre Rechnungen berichtigt, ihre zivilrechtlichen Forderungen in Höhe des Umsatzsteuerbetrags gegen die X-GmbH an das Finanzamt abgetreten haben und die Klägerin einer Verrechnung ihres Anspruchs auf Umsatzsteuererstattung mit den an das Finanzamt abgetretenen zivilrechtlichen Ansprüchen der Bauhandwerker zugestimmt hat.
Im Übrigen lehnte das Finanzamt eine Änderung und Erstattung der Umsatzsteuer ab.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg:
- Die Umsatzsteuerfestsetzung ist zugunsten der Klägerin zu ändern.
- Die Steuerfestsetzung ist von Anfang an rechtswidrig gewesen.
- Die Klägerin ist als Bauträgerin keine Steuerschuldnerin nach § 13b UStG
- Einer Änderung der Steuerfestsetzung stehen weder die Verwaltungsauffassung, noch § 17 UStG noch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.
- Maßgebend ist die gesetzliche Regelung des § 13b UStG.
- § 17 UStGkommt bereits dem Wortlaut nach nicht zur Anwendung. Die Steuerfestsetzung hat sich nicht infolge nachträglich eingetretener Umstände geändert.
- § 27 Abs. 19 UStG gilt dem Wortlaut nach nur für den leistenden Unternehmer. Die Klägerin ist dagegen die Leistungsempfängerin.
- Es gibt „keine Rechtsgrundlage, nach der es für eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung und/oder für die Erstattung der zu Unrecht festgesetzten Umsatzsteuer darauf ankommt, dass die Klägerin einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer an ihren jeweiligen Vertragspartner gezahlt hat.“
- Die Klägerin verhält sich auch nicht treuwidrig. Stellt sie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung einen Antrag auf Änderung, der der Verwaltungsauffassung widerspricht, schöpft sie lediglich ihre rechtlichen Möglichkeiten aus.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. 15.02.2018
Das BMF hat mit Schreiben vom 26.07.2017 die Urteilsgrundsätze des BFH-Urteils zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft vom 23.02.2017 für allgemein anwendbar erklärt.
Damit wird durch das BMF bestätigt, dass eine Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann (zu seinem Nachteil) geändert werden kann, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Praktische Umsetzungsfragen ergeben sich auch weiterhin, weil der steuerrechtliche Erstattungsanspruch von der Begründetheit eines zivilrechtlichen Zahlungsanspruchs zwischen leistenden Unternehmer und Leistungsempfänger abhängt. Das heißt, die Finanzbehörden sind verpflichtet, auch die Begründetheit zivilrechtlicher Zahlungsansprüche inzident mit zu prüfen. Das BMF macht die Erstattung der Umsatzsteuer unter RN 15a davon abhängig, dass die Leistungsempfänger die nachträgliche Zahlung der Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer nachweisen können oder eine Aufrechnung des abgetretenen zivilrechtlichen Anspruchs erfolgen kann. Soweit ersichtlich hatte der BFH hierzu bislang noch keine Aussage getroffen.
RAin/StB Ines Otte (MAZARS) gibt ergänzend folgende wichtige Hinweise: „Zu der Frage, ob der Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers wegen § 17 Abs. 2 UStG analog aufgeschoben ist, sind bei den beiden Umsatzsteuersenaten des BFH Verfahren anhängig, so dass der BFH hierzu in absehbarer Zeit (wohl jedoch nicht mehr in diesem Jahr) Stellung nehmen wird. Im Anwendungsschreiben hat die Finanzverwaltung nun allerdings den Grundsatz von Treu und Glauben sowie das unionsrechtliche Neutralitätsgebot als neue Begründung für die Versagung der Erstattung angeführt. Hierzu haben sich die Finanzgerichte und der BFH bisher noch gar nicht geäußert. Auch wenn das BMF nach RN 15a die Erstattung der Umsatzsteuer erschwert, bestehen regional große Unterschiede. Einige Bundesländer lassen zumindest Abtretungen von Erstattungsguthaben des Leistungsempfängers gemäß § 46 AO an den leistenden Unternehmer weiterhin zu, während andere Bundesländer die Abwicklung von Erstattungsanträgen des Leistungsempfängers bis zur „Vorfinanzierung des Leistungsempfängers“ oder einer Aufrechnungssituation eingestellt haben. Zu den Erstattungszinsen des Leistungsempfängers gibt das Anwendungsschreiben keine Auskunft. Für den leistenden Unternehmer ist es bei einer entgegenkommenden Zinsregelung in RN 16 geblieben.“
Zur Entscheidung des BFH vom 23.02.2017 siehe auch https://www.bfw-bund.de/handlungsfelder/steuern/umkehr-steuerschuldnerschaft/
Das Anwendungsschreiben erhalten Sie unter http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/Umsatzsteuer-Anwendungserlass/2017-07-26-ust-steuerschuldnerschaft-des-leistungsempfaengers-bei-bauleistungen-anwendung-des-paragraf-27-absatz-19-UStG.html
Entscheidung: Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach der Übergangsregelung des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann (zu seinem Nachteil) geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.
Anmerkungen des BFW: Mit der aktuellen Entscheidung des BFH steigen sicherlich die Chancen für Bauträger, Erstattungsansprüche für zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer erfolgreich geltend zu machen. Da der Erstattungsanspruch jedoch insbesondere nur dann besteht, wenn dem leistenden Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung gegen den Leistungsempfänger zusteht, bleiben weiterhin viele praktische Umsetzungsfragen offen. Diese ergeben sich insbesondere aus dem Umstand, dass der steuerrechtliche Erstattungsanspruch von der Begründetheit eines zivilrechtlichen Zahlungsanspruchs zwischen leistenden Unternehmer und Leistungsempfänger abhängt. Das heißt, die Finanzbehörden sind verpflichtet, auch die Begründetheit zivilrechtlicher Zahlungsansprüche inzident mit zu prüfen. Ob sich auf dieser Grundlage eine bundesweit einheitliche Verwaltungspraxis etablieren kann, ist mehr als fraglich. Realistischer sind regional sehr unterschiedliche Lösungsansätze, zumal es das Bundesfinanzministerium den Bundesländern überlässt, die eigenständige Umsetzung der umsatzsteuerrechtlichen Rückabwicklung von Bauträgergeschäften zu regeln.
Auf die begrenzte praktische Relevanz der Abtretungsregelung in § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG hat bereits Prof. Stefan Leupertz im November 2014 in einem vom BFW beauftragten Gutachten hingewiesen. Das Gutachten von Prof. Stefan Leupertz können Sie hier herunterladen.
BFW-Informationsveranstaltungen: Um den BFW-Mitgliedern Handlungsempfehlungen für dieses wirtschaftlich essentielle Thema zu geben, bietet der BFW Bundesverband (Fachausschuss Steuern) in Zusammenarbeit mit den BFW-Landesverbänden Informationsveranstaltungen an, die die regionalen Besonderheiten beachten. Nach den Informationsveranstaltungen am 4. April 2017 in Köln mit dem BFW Landesverband NRW sowie am 9. Mai 2017 in Berlin mit dem BFW Landesverband Berlin/Brandenburg ist die nächste Veranstaltung am 27. Juni 2017 in München mit dem BFW Landesverband Bayern und am 10. Juli 2017 in Hamburg mit dem BFW Landesverband Nord geplant.
Mit einer aktuellen Entscheidung des FG Münster (Urteil v. 31.1.2017, 15 K 3998/15 U) steigen die Chancen für Bauträger, Erstattungsansprüche für zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer erfolgreich geltend zu machen. Insofern bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung Ausgangspunkt für eine bundesweit einheitliche Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen Rückabwicklung der Bauträgerfälle sein wird. Fakt ist jedoch auch, dass es das Bundesfinanzministerium den Bundesländern überlässt, die eigenständige Umsetzung der umsatzsteuerrechtlichen Rückabwicklung von Bauträgergeschäften zu regeln. Regional unterschiedliche Lösungsansätze sind die Folge. Um Ihnen Handlungsempfehlungen für dieses wirtschaftlich essentielle Thema zu geben, führt der BFW Landesverband NRW in Zusammenarbeit mit dem BFW Bundesverband (Fachausschuss Steuern) am 04.04.2017 eine erste BFW- Informationsveranstaltung in Köln durch.
Anmeldung unter http://www.bfw-nrw.de/aktivitaeten/veranstaltungen/15326-bautraeger-im-fokus-der-umsatzsteuer-umkehr-der-steuerschuldnerschaft-gem-13b-ustg/
Anmerkung: Mit dem am 15.02.2017 veröffentlichten Urteil hat das Finanzgericht Münster (Urteil v. 31.1.2017, 15 K 3998/15 U) entschieden, dass die Steuerschuldnerschaft eines Bauträgers unabhängig davon entfällt, ob der Bauträger als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den Bauleistenden erstattet. Dabei kommt es also nicht darauf an, ob der Bauträger die Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer gezahlt hat. Das FG Münster stellt klar, dass § 17 UStG keine Umsatzsteuerschulden begründet, sondern nur begründete Umsatzsteuerschulden berichtigen kann. Die Vorschrift greift also dann nicht ein, wenn ein Unternehmer (hier Bauträger) von vornherein keine Umsatzsteuer schuldet. Auch eine analoge Anwendung zu Lasten des Bauträgers kommt nicht in Betracht. Damit hat das FG Münster entgegen dem BFH entschieden, der es für möglich gehalten hatte, dass die angenommene Steuerschuld beim Bauträger entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erst aufgrund einer Zahlung des Steuerbetrags an den Bauunternehmer entfällt (BFH-Beschluss vom 27.1.2016, V B 87/15, BFHE 252 S. 187 = SIS 16 03 09). Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfrage hat der Senat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.