Ein jüngst vom Bundesfinanzhof (BFH) veröffentlichtes Urteil (Entscheidung vom 24.10.2017, II R 44/15, veröffentlicht am 21.02.2018) sorgt für viel Aufsehen. Der BFH verschärft mit seinem Urteil die Anforderungen an ein Wohnungsunternehmen für Zwecke der Erbschaftsteuer drastisch.
Zum Hintergrund: Vermietete Immobilien zählen für Zwecke der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer grundsätzlich zum Verwaltungsvermögen und sind damit so gut wie nicht begünstigt. Eine Ausnahme besteht jedoch für betriebliche Immobilien eines Unternehmens, dessen Hauptzweck die Vermietung von Wohnraum ist und dessen Vermietungstätigkeit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert.
Bisher ging die Finanzverwaltung typisierend davon aus, dass bei einer Größe des Wohnungsunternehmens von mehr als 300 Wohnungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen sei. Diese typisierende Betrachtungsweise hat der BFH nun gekippt. Der BFH führt aus, dass zum einen die Anzahl der vermieteten Wohnungen für das Vorhandensein eines Wohnungsunternehmens unerheblich ist. Zum anderen meint der BFH, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur vorliege, wenn das vermietende Unternehmen neben der Überlassung von Wohnungen Zusatzleistungen erbringt, die der Vermietungstätigkeit einen originär gewerblichen Charakter verleihen.
Eine gewerbliche Vermietungstätigkeit ist demnach dann gegeben, wenn der Vermieter zusätzliche Tätigkeiten entfaltet, die über das normale Maß einer Vermietertätigkeit hinausgehen. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Vermieter bestimmte, ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen, wie zum Beispiel die Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen oder der Bewachung des Gebäudes erbringt. Sonderleistungen des Vermieters können beispielsweise auch dann vorliegen, wenn die Räume in einer mit dem Mieter vereinbarten Weise ausgestattet werden, Bettwäsche überlassen oder gewechselt wird oder ein Aufenthaltsraum mit Möbeln und Fernsehapparat bereitgehalten wird.
Ausblick: Das Urteil trifft die Lebenswirklichkeit eines „normalen Vermieters“ nicht. Es stellt sich die Frage, wie mit diesem Urteil in der Praxis umzugehen sein wird. Man hört erste, allerdings völlig unverbindliche Stimmen aus der Finanzverwaltung, dass ggf. ein Nichtanwendungserlass kommen könnte, der das Urteil zu einem Einzelfall degradieren würde. Mit einem Nichtanwendungserlass ist allerdings keine Rechtssicherheit gegeben – er zeigt, dass Rechtsprechung und Finanzverwaltung unterschiedliche Auffassungen haben. Eine Alternative könnte eine gesetzliche Änderung sein. Diese Möglichkeit lässt mittelbar auch der BFH durchblicken. Klar erscheint derzeit nur, dass irgendetwas passieren muss. Andernfalls wird unzähligen Wohnungsunternehmen eine erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Privilegierung genommen, da viele Wohnungsunternehmen kaum in der Lage sein dürften, die vom BFH geforderten Sonderleistungen zu erbringen. Das hat der Gesetzgeber so nicht gewollt.
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Autor: Dr. Christian Birkholz, MAZARS, Vorsitzender BFW- Fachausschuss Steuern