Erbschaftssteuer

Nichtanwendungserlasse zu BFH-Urteilen / Erbschaftsteuer für Wohnungsunternehmen

Seit Anfang 2015 bis Ende September 2018 wurden von der Finanzverwaltung sieben sogenannte Nichtanwendungserlasse verfügt, mit denen die Finanzämter angewiesen werden, Urteile des Bundesfinanzhofes (BFH) nicht über den Einzelfall hinaus anzuwenden. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 13.11.2018 auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion mit.

Antwort der Bundesregierung unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/057/1905758.pdf

Anmerkung: Nichtanwendungserlasse sind durch ihre Beschränkung auf ein jeweils einzelnes Urteil sehr fragil und damit durch weitere Rechtsprechung „änderungs- und störanfällig“.

Der BFW setzt sich daher in Bezug auf den in der  Antwort u.a. genannten Nichtanwendungserlass zur Erbschaftsteuer für Wohnungsunternehmen für eine gesetzlichen Klarstellung ein.


Erbschaftsteuer aktuell: Nichtanwendungserlass zum BFW-Urteil für Wohnungsunternehmen

Am 23. April 2018 erging der Nichtanwendungserlass der obersten Finanzbehörden der Länder zum BFH-Urteil vom 24. Oktober 2017 – II R 44/15, wonach eine Wohnungsvermietungsgesellschaft, die Wohnungen an Dritte überlässt, nur dann zum begünstigten Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG a. F. gehört, wenn die Gesellschaft neben der Vermietung im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes Zusatzleistungen erbringt, die das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß überschreiten.

Inhalt: „Das Urteil ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. An der bisherigen typisierenden Betrachtungsweise in R E 13b.13 Abs. 3 ErbStR 2011 ist weiterhin festzuhalten.“

Hintergrund: Bisher ging die Finanzverwaltung typisierend davon aus, dass bei einer Größe des Wohnungsunternehmens von mehr als 300 Wohnungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen sei. Diese typisierende Betrachtungsweise hatte der BFH gekippt. Der BFH führt aus, dass zum einen die Anzahl der vermieteten Wohnungen für das Vorhandensein eines Wohnungsunternehmens unerheblich ist. Zum anderen meint der BFH, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur vorliege, wenn das vermietende Unternehmen neben der Überlassung von Wohnungen Zusatzleistungen erbringt, die der Vermietungstätigkeit einen originär gewerblichen Charakter verleihen.

Das Urteil trifft die Lebenswirklichkeit eines „normalen Vermieters“ nicht.  Ein erster Schritt zur Wiederherstellung der bisherigen Rechtsicherheit ist daher der Nichtanwendungserlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23. April 2018. Positiv ist, dass es sich um einen vergleichsweise zeitnahen Nichtanwendungserlass handelt, der sich in seiner Kürze und Klarheit positiv von ähnlich gelagerten Konstellationen im Steuerrecht abhebt. Wohnungsunternehmen können jetzt eine Weile mit dieser Rechtslage arbeiten. Nichtanwendungserlasse sind aber durch ihre Beschränkung auf ein einzelnes Urteil sehr fragil und damit durch weitere Rechtsprechung „änderungs- und störanfällig“. Um wirkliche Rechtssicherheit zu erzielen, bedarf es daher stattdessen einer zeitnahen gesetzlichen Klarstellung. Wir halten Sie auf dem Laufenden.


Überraschendes Urteil des Bundesfinanzhofes für Wohnungsunternehmen

Ein jüngst vom Bundesfinanzhof (BFH) veröffentlichtes Urteil (Entscheidung vom 24.10.2017, II R 44/15, veröffentlicht am 21.02.2018) sorgt für viel Aufsehen. Der BFH verschärft mit seinem Urteil die Anforderungen an ein Wohnungsunternehmen für Zwecke der Erbschaftsteuer drastisch.

Zum Hintergrund: Vermietete Immobilien zählen für Zwecke der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer grundsätzlich zum Verwaltungsvermögen und sind damit so gut wie nicht begünstigt. Eine Ausnahme besteht jedoch für betriebliche Immobilien eines Unternehmens, dessen Hauptzweck die Vermietung von Wohnraum ist und dessen Vermietungstätigkeit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert.

Bisher ging die Finanzverwaltung typisierend davon aus, dass bei einer Größe des Wohnungsunternehmens von mehr als 300 Wohnungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen sei. Diese typisierende Betrachtungsweise hat der BFH nun gekippt. Der BFH führt aus, dass zum einen die Anzahl der vermieteten Wohnungen für das Vorhandensein eines Wohnungsunternehmens unerheblich ist. Zum anderen meint der BFH, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur vorliege, wenn das vermietende Unternehmen neben der Überlassung von Wohnungen Zusatzleistungen erbringt, die der Vermietungstätigkeit einen originär gewerblichen Charakter verleihen.

Eine gewerbliche Vermietungstätigkeit ist demnach dann gegeben, wenn der Vermieter zusätzliche Tätigkeiten entfaltet, die über das normale Maß einer Vermietertätigkeit hinausgehen. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Vermieter bestimmte, ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen, wie zum Beispiel die Übernahme der Reinigung der vermieteten Wohnungen oder der Bewachung des Gebäudes erbringt. Sonderleistungen des Vermieters können beispielsweise auch dann vorliegen, wenn die Räume in einer mit dem Mieter vereinbarten Weise ausgestattet werden, Bettwäsche überlassen oder gewechselt wird oder ein Aufenthaltsraum mit Möbeln und Fernsehapparat bereitgehalten wird.

Ausblick: Das Urteil trifft die Lebenswirklichkeit eines „normalen Vermieters“ nicht. Es stellt sich die Frage, wie mit diesem Urteil in der Praxis umzugehen sein wird. Man hört erste, allerdings völlig unverbindliche Stimmen aus der Finanzverwaltung, dass ggf. ein Nichtanwendungserlass kommen könnte, der das Urteil zu einem Einzelfall degradieren würde. Mit einem Nichtanwendungserlass ist allerdings keine Rechtssicherheit gegeben – er zeigt, dass Rechtsprechung und Finanzverwaltung unterschiedliche Auffassungen haben. Eine Alternative könnte eine gesetzliche Änderung sein. Diese Möglichkeit lässt mittelbar auch der BFH durchblicken. Klar erscheint derzeit nur, dass irgendetwas passieren muss. Andernfalls wird unzähligen Wohnungsunternehmen eine erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Privilegierung genommen, da viele Wohnungsunternehmen kaum in der Lage sein dürften, die vom BFH geforderten Sonderleistungen zu erbringen. Das hat der Gesetzgeber so nicht gewollt.

Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Autor: Dr. Christian Birkholz, MAZARS, Vorsitzender BFW- Fachausschuss Steuern